Finnland und Nord-Norwegen Mai Juni 2010 - Teil 4
 

Mittwoch 16.06.

 

Das Bomba-Haus 

Sinngemäß lt. Womo-Reiseführer: Das Original des Bomba-Hauses wurde 1855 von dem karelischen Bauern Jegor Bombin für seinen Sohn Dimitri erbaut, für damalige Verhältnisse war es mit 25m Länge, 10m Breite, 3 Geschosse hoch und mit 25 Zimmern sehr groß.

Es lag ursprünglich im Osten Kareliens. Dimitris 5 Söhne zerlegten es und bauten sich jeder daraus ein eigenes neues Haus in Ostkarelien. Dies ging mit dem Winterkrieg und der Abtretung Kareliens an Russland verloren. 

1960 entstand die Idee, dieses Haus wieder am Pielinen-See aufzubauen und dort ein karelisches Dorf und Kongresszentrum im alten Stil einzurichten. Seit der Fertigstellung 1978 wird hier karelisches Brauchtum gepflegt, es finden karelisch-folkloristische Großveranstaltungen statt und es bietet sich die Gelegenheit die besondere karelische Küche und Gastronomie z.B. den Karelischen Fleischtopf zu genießen. Dieser besteht aus Schweine-, Rind- und Lammfleisch, die in Brühe geschmort werden und wird mit Salzkartoffeln oder Kartoffelbrei gereicht. 

 

Das Atelier von Eya Ryynänen  - Holzbildhauerin

Über Eva Ryynänen

30 km südlich von Lieksa im Dorf Paateri hatte die Bildhauerin Eva Ryynänen ihr Atelier aufgeschlagen. Zahlreiche Besucher strömten hierher, um durch ihr Reich zu wandeln, ihr bei der Arbeit zusehen und die kunstvollen Holzplastiken zu bewundern. Wem das Glück besonders hold ist, der kann eine Trauung in der von der Künstlerin geschaffenen Kirche beiwohnen.
Hier versteht der Besucher, das Holz zum Leben erweckt werden kann.
Und wenn die Künstlerin auch im Dezember 2001 verstorben ist, ihr Werk lebt weiter.

 Ergänzung von uns:

 Als Lebenswerk und Kunstwerk mit einmaliger Ausstrahlung vermittelt die von Ihr geschaffene Kirche, ihr Atelier und ihr Wohnhaus das Gefühl: hier fühlst Du Dich geborgen. Alle drei Gebäude liegen auf dem gleichen Grundstück in unmittelbarer Nähe zueinander. Eva Ryynänen hatte bereits als junges Mädchen angefangen zu schnitzen, war dann auf der Künstlerschule in Helsinki, wo sie auch ihren Mann kennen gelernt hat. Mitten in der Natur, inspiriert von deren Formen und Maserung im Holz hat sie dort ein Kunstwerk geschaffen, das einen charmant in seinen Bann zieht. 

Vor dem Betreten der kleinen Kirche, die Ihr Licht über ein modernes Dreiecksfensters von oben erhält, schmiegen sich die Holgriffe warm um die Hand, die Tür öffnet sich und der Blick fällt auf eine Sitzgruppe rechts und links davor dem Altar. Aus einem alten Baumstumpf, dessen Wurzeln die Ausstrahlung des Glaubens verkünden, gleitet der Blick darüber auf ein geschnitztes, im Giebelfenster hängendes Bild – das im ersten Moment scheinbar einen Blick auf die Gestirne zeigt. 

Erst bei näherem Hinsehen erkennt man Maria, ihr Christuskind haltend, plastisch aus dem Bild hervortreten. Jedes Detail ist mit Liebe und Hochachtung vor unserem Schöpfer geschnitzt: - das Rednerpult, die Bänke mit Blütenmustern, die Balustraden am Fenster, der Fußboden aus aufgeschnittenen Bäumen, die ihre Maserung und ihr Alter über Jahresringe freigeben.  

In Ihrem Atelier stehen noch viele vorbearbeitete, manche (fast-) fertige Kunstwerke, die sich einem erst erschließen, wenn man die steile Treppe hinaufgeht und mit Abstand von oben darauf schaut. 

Glücksbringer-Hufeisen, eingelassen in den Terrassen-Beton ihres Hauses, mit Blick auf den See, zeigen, was sie vielleicht inspiriert haben mag. Ihr Haus ist geprägt von Schnitzereien – eine wie die andere mit charismatischem Ausdruck – alles als Ensemble strahlt unglaubliche Gemütlichkeit, Liebe zum Leben und Wärme aus. 

Selbst wenn es kalt ist, die Holztüren zum Museumskiosk sind als Griffe einer heißen Teekanne so geschnitzt, dass einen dort die Gemütlichkeit erwartet.

 http://www.pohjois-karjala.org/kunnat/lieksa/matkailu/paateri-eva-ryynanen

http://fi.wikipedia.org/wiki/Eva_Ryynänen   

 


Donnerstag 17.06.

Heute wollen wir etwas "Stadtluft" schnuppern:




Das Städtchen Joensuu
 

Holzwirtschaft ist nach wie vor einer der wichtigsten Faktoren der finnischen Wirtschaft. Zusammengebunden in großen Flössen werden die Baumstämme auf Flüssen von großen Schleppern gezogen und mit Unterstützung von kleineren Schleppern „um die Ecke gebracht“   =   in ihrem Kurs korrigiert und zusammengehalten. 

Bei schönem Wetter herrscht in diesen Städten, vor allem an Markttagen reges Treiben und es gibt eine Köstlichkeit von feinster Güte:  

Muikku = kleine lachsverwandte Maränenart, die 5-20 cm erreicht, Normalgewicht 10 - 70 Gramm und ist unglaublich lecker. Sie werden in Mehl paniert und dann in Pfannen mit großem Durchmesser in Butter gebraten kredenzt. Ein „Platz an der Sonne“ macht das zu einem besonderen Vergnügen, wie Monikas Bilder beweisen.    

Durch die bisweilen karge Vegetation, die wir über mehrere Wochen weit oben im Norden erlebt haben, erschienen uns plötzlich die Beete und Terrassen sowie der Markt wie ein Blumenmeer.


gegen Mittag fahren wir weiter zum Kloster Valamo

Nach dem Winterkrieg hatte man die Mönche aus Karelien vertrieben, diese flüchteten nach Finnland und errichteten dort das neue orthodoxe Kloster Valamo nach den Regeln der „Altgläubigen“ 

Die Bilder sprechen für sich.


unsere nächste Station für heute erreichen wir gerade noch rechzeitig um die letzte Führung des Tages mitmachen zu können.

Das Museum für mechanische Musik in Varkaus 

Etwas südlich von Varkaus liegt ein Gutsherrenhaus, das heute ein Museum für mechanische Musik beherbergt. Begrüßt von einem Ara gelangt man in das Erdgeschoss, wo einen bereits sonderbar-faszinierende Klänge erreichen. 

Die hier liebevoll restaurierten Musik-Maschinen: Poppers Goliath, Stern oder Amadeus - um mal 3 mit ihren Namen zu nennen, sind wieder voll funktionstüchtig hergerichtet und erzeugen – meist elektrisch angetrieben – einen bisweilen skurrilen Tanz-Musik-Sound aus der Zeit vom Ende der 19. Jahrhunderts bis etwa Mitte der 50-ziger Jahre. 

Angetrieben durch Walzen, Lochplattenstapel, Lochstreifen, … klappert, flötet, orgelt, trommelt, scheppert … es, wobei sich gelegentlich Flugzeuge und Ballone über die aufgemalten Bilder bewegen. Hier drückt die Mona Lisa kein Auge zu – sie öffnet beide und eine künstliche Band beobachtet das Publikum, während sie Ihre Stücke zum Besten gibt. Ein Schatz und Eldorado für Musikstücke, die oftmals Life gar nicht mehr existieren oder gespielt werden können.  

Besonderes Glück hat derjenige, der den Museumsdirektor Herrn Jürgen Kempf aus Darmstand bei diesen Führungen erleben darf – und mit wie viel Witz, Humor und gelegentlich herber Kritik an den politisch Verantwortlichen er die Tour durch dieses Museum verbindet. Kaum setzt Du Dich auf einen Stuhl – fängt dieser an Musik zu machen, … und die anderen Maschinen stehen dem an Kreativität nix nach. 

Adresse: Mekaanisen Musiikin Museo · Pelimanninkatu 8 · 78850 Varkaus · Puh. 010 2390 380 ·

E-Mail: info@mekaanisenmusiikinmuseo.fi  www.mekaanisenmusiikinmuseo.fi/readmore_ger.html

 

nach diesem anstrengenden Tag finden wir einen schönen Übernachtungsplatz mit herrlichem Ausblick und einem tollen Sonnenuntergang
 

 

Freitag 18.06.

Das Städtchen Savolina 

Im Kern der Stadt liegt ein großer Marktplatz, direkt am See gelegen, neben Produkten aus der Gegend und speziell für Touristen, gibt es hier auch Gelegenheiten Muikku zu essen, was wir in Anbetracht der Mittagszeit am See sitzend auch gerne getan haben.


 

Savolina beherbergt neben einem großen (teilweise) Freilicht-Museum die mächtigste Burg Finnlands – und die ist wirklich einen Besuch wert, denn sie liegt auf einem Felsen mitten im See.
Insgesamt ist hier die Welt sehr viel ruhiger und beschaulicher als bei uns, wann immer wir Kontakt zu den Menschen hatten, die dort lebten, es war immer extrem freundlich.


Samstag 19.06.

Ylämaa: Spektrolith und andere Edelsteine:

 Spektrolith ist eine Sonderform von Granit, die

a) in dieser Form nur in Finnland vorkommt
b) sich durch besonders viele mineralische Einschlüsse auszeichnet und dadurch den Eindruck vermittelt, als seien alle Regenbogenfarben darin abgebildet, daher  auch der Name. 

Unser Besuch im Edelsteindorf von Ylämaa war aber noch durch eine 2. Besonderheit gekennzeichnet – Bilder, wie wir sie in dieser Form noch nie gesehen hatten:

Grell hellrot oder giftgrün leuchtend, dann wechseln die Farben ins Bläuliche und in andere Spektralfarben – dieser Effekt lässt sich nur durch UV-Licht bei solchen Steinen erzeugen, die fluoreszierende Bestandteile haben und in der Tat

 

 

 

 

 

Betrachtet man die Steine bei normalem Licht, ist dies nicht erkennbar, gut für die nächste Baugrube wäre die normale Reaktion eines Unwissenden gewesen

 

Mineralogen verwenden UV-Licht um Bestandteile wie Phosphor (in den Bildern giftgrün, …) zu identifizieren.

Beispiele von Spektrolith bestätigen meine erste Beschreibung.
 

Wir suchen uns einen Parkplatz im Valkmusa Nationalpark zum Übernachten. Jetzt merken wir, dass wir wieder zurück in der "Zivilisation" sind. Gleich 3 Kollegen Wohnmobile kommen nach und nach an und parken auf "unserem " Parkplatz. Soviel Nachbarschaft hatten wir die ganze Tour über nicht.


Sonntag 20.06.

Übernacht hat es aus Kübeln gegossen aber wir haben Glück, am Morgen reißt es auf, die Sonne scheint und unser letzter Tag in Finnland verspricht richtig schön zu werden. Zuerst besuchen wir

Das Fischerhaus des Zaren in Kotka 

Das schaukelt aber ganz schön, war mein Gedanke bei Befahren des Parkplatzes vor dem Fischerhaus des Zaren, bis wir merkten, dass wir auf einer „eben nur fast Ebenen Granitplatte“ standen, die als Parkplatz herhalten musste.

 

 1889 wurde hier ein Fischerhaus für Zar Alexander III. gebaut, das noch heute an den Stromschnellen ein beliebter Platz für Fliegenfischer ist – ganz besonders, wenn die Lachse im Spätsommer wandern.

 Ein durchaus feudales Quartier – oder?


On "the long Road“:

 Hatten wir nun schon sehr häufig russische LKW´s gesehen, so verschlug es uns die Spucke, wie viele davon auf ihre Abfertigung für die Einreise nach Russland, Grenzübergang St. Petersburg warteten – am Ende waren es mit Unterbrechungen mehr als 18 km – unvorstellbar, wenn man bedenkt, dass innerhalb des Schengen-Abkommens Reisen von Nordnorwegen – Finnland – Baltikum – Polen bis Kreta möglich sind, ohne einmal den Ausweis an der Grenze zu zeigen.

 Und leider auch ein Beweis für die Grenzen in den Köpfen der Politik, vor denen jeder Logistiker nur den Kopf schütteln kann.


danach besichtigen wir die Kirche von Pyhtää 

Diese für Südfinnland typische Scheunendachkirche aus dem 15. Jahrhundert wurde aus Feldsteinen errichtet. In ihrem Inneren beherbergt sie einen reichen Schatz an Bildern und Verzierungen, deren Ursprünglichkeit und Einfachheit in der Darstellung sich ausdrucksstark auf den Betrachter überträgt.
Sakrale Bilder, aber auch solche, die die Bedeutung der Gerechtigkeit unterstreichen, Wappen von Rittergeschlechtern, Figuren und Blattmuster zieren die Wände. An einem kleinen Fluss gelegen, hatte man damals schon einen der schönsten Orte
à den schönsten Ort für dieses Bauwerk ausgesucht.


 
nächste Station heute ist Ruukki-Strömfors-Bruk    -   älteste Eisenhütte Finnlands    

Im Spiegelbild des Sees liegen die alten Gebäude, das Schmiedemuseum und die achteckige Kirche rund um die Seen, die sich einer in den anderen über Wehre ergießen.

 Durch den Tod ihres Mannes wurde Christina von Forselles Besitzerin der Mühle, als sie 31 Jahre alt war, im Jahre 1790 und leitete, damels eher ungewöhnlich aber mit großem Erfolg und großer, heute noch spürbarer Anerkennung durch die die Mitarbeiter diese Hütte 57 Jahre lang bis ins hohe Alter. 

Eisenverarbeitung findet in dieser Weise heute dort nicht mehr statt, die Gebäude sind heute vorwiegend Wohnhäuser, Basare oder kleine Boutiquen für die regionale Handwerkskunst, außerdem gibt es ein paar ansprechend hergerichtete Lokale.

Um die Gemütlichkeit und das friedliche Ensemble, das diese Anlage ausstrahlt, mag man die dort wohnenden Bewohner getrost beneiden.


Das Städtchen Porvoo

Zu gern hätten wir an dem Tag noch ein paar Muikku gegessen, haben aber leider keine gefunden und deshalb auf geistige Nahrung umgestellt. 

Dazu braucht es nicht viel, denn in den alten Gassen und bei den Speicherhäusern, die von der Fluss-Seite her  als Lager dienten, findet sich immer wieder ein Plätzchen, das zum Verweilen einlädt. Auch die Brücken bieten da ideale Aussichtspunkte und die Altstadtgassen laden mit ihren kleinen Boutiquen zum Stadtbummel ein. 

Cafes und Restaurants bieten ihre Köstlichkeiten an, weiter oben wartet eine alte Kirche im gleichen Stiel wie in Pyhtää – es freut einen zu beobachten, wie hier junge Menschen alles vorbereiten, um ihren Freunden eine wundervolle Hochzeit zu bereiten, sie haben alle Hände voll zu tun – letzte Übungen auf der E-Gitarre …, damit es eine besondere Überraschung wird. Wir wünschen ihnen viel Glück und wenden uns weiter der Altstadt zu.  

Sich in den alten, von Holzhäusern gesäumten Gassen zu bewegen, Menschen zu beobachten, wie sie ihre geschniegelten Dackel und geschorenen Pudel ausführen,

Punks mit gefärbten Scheiteln und Nieten besetzten Klamotten, Edelboutiquen für Schmuck … das alles in absoluter Friedfertigkeit und Selbstverständlichkeit.

Wir haben viele Beispiele dafür erlebt und Menschen, die bewiesen haben, wie charmant eine pluralistische Lebensweise ist, dass es uns peinlich berührt, wie wenig tolerant bisweilen die Einstellung in Deutschland dazu ist.


Von Porvoo aus ist es nicht mehr weit nach Helsinki, wo sich unser Kreis schließt. Wir bekommen kurzfristig am Abend noch einen Platz auf einer Fähre nach Tallin. Von dort aus werden wir dann im laufe der nächsten Woche durch Estland, Lettland, Litauen und Polen zurück nach Gauting fahren.

Epilog: 

Zugegebenermaßen hat es Helsinki nicht verdient, dass wir viele uns bekannte Ziele nicht angesteuert haben und damit auch nicht dokumentieren konnten.  Auf der Rückfahrt hatten wir unsere Reiseziele neu definiert, wir wollten ein bisschen Wärme tanken und im Herbst nach Sardinien fahren –  leider ist der Engpass die begrenzte Zahl von Urlaubstagen. 

Wenn wir gekonnt hätten, wie wir gewollt hätten, hätte diese Tour 3 Monate länger gedauert. Wir haben mit Bewusstsein realisieren müssen, dass wir für viele Dinge, die wir verflucht gerne gemacht hätten, entweder besseres Wetter oder vor allem viel mehr Zeit gebraucht hätten. …

 Aber wir haben gesehen, was uns da sonst noch alles erwartet – und wir kommen gerne wieder dorthin, die nächste Reise ist schon in gedanklicher Planung.

 Und wir werden auch kommende Reise-Erlenbisse all denen, die viel Spaß daran hatten, gerne wieder herzhaft zum Besten geben – das versprechen wir schon jetzt!



 

 

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